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Höhe des Unterhaltsanspruchs - Teil 1: Bedürftigkeit des Berechtigten - was braucht man zum Leben?


Wir wollen hier in unserem kleinen Büro in Barmbek natürlich nicht die schwierigsten Fragen der Philosophie mal eben so klären. Was man zum Leben braucht, ist eine fast unlösbare Frage. Wir beschränken uns also auf die Darstellung dessen, was das Familenrecht als die Kosten eines angemessenen Lebensunterhalts anerkennt.

Im Unterhaltsrecht sind Verschiedene Faktoren in Betracht zu ziehen.
Zunächst wird der Bedarf desjenigen ermittelt, der Unterhalt begehrt.
Was braucht der / die Berechtigte zum Leben?

Die Juristen ermitteln zuerst den Bedarf des Unterhaltsberechtigten: was braucht er / sie zum Leben?
Vielleicht könnte man besser fragen: was billigen Gesetz und Rechtsprechung dem einzelnen an Bedarf zu?

Unterhaltsrechtlich relevanter Bedarf von Kindern

Bei Kindern ergibt sich der Bedarf in den meisten Fällen aus den Tabellen, die üblicherweise benutzt werden, insbesondere aus der Düsseldorfer Tabelle, die nach Alter des Kindes und Einkommen der Eltern gestaffelt ist.
Dort können Sie ablesen, welcher Betrag nach Meinung der Rechtsprechung dem Kind zusteht.

Der Bedarf soll grundsätzlich aus eigenen Mitteln gedeckt werden. Ist das eigene Einkommen nicht ausreichend, besteht Bedürftigkeit in Höhe der Deckungslücke. Die Frage nach der Bedürftigkeit ist der zweite gedankliche Schritt bei Unterhaltsberechnungen.
Dem Unterhalt des Kindes dient zum Beispiel das Kindergeld. Der Bedarf ist durch das Kindergeld zu einem geringen Teil gedeckt, die Bedürftigkeit ist also niedriger als der Bedarf. Bei volljährigen Kindern wird das Kindergeld in voller Höhe vom Tabellenbetrag abgezogen, bei minderjährigen Kindern zur Hälfte.

Unterhaltsrechtlich relevanter Bedarf eines Ehegatten während des Getrenntlebens:

Bestimmend für den Bedarf des getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten sind die ehelichen Lebensverhältnisse bis zur Scheidung, § 1578 BGB, vgl. Beschluss des BGH vom 07.05.14 - XII ZB 258/13-.
Mit dieser gängigen Floskel ist für Sie vielleicht noch nicht viel an Klarheit gewonnen.

Die Rechtsprechung arbeitet hier mit bestimmten Formeln und geht dabei von der Überlegung aus, dass beide Ehegatten auch während der Trennungsphase noch zu gleichen Teilen Anspruch auf Teilhabe am Gesamteinkommen haben sollen. Das wäre also "Hälfte / Hälfte" nach Vorwegabzug des Unterhalts für minderjährige Kinder.

Aber der erwerbstätige Ehegatte erhält einen gewissen Bonus, den Erwerbstätigenbonus, der über Jahrzehnte mit 1/7 des Einkommens aus Erwerbstätigkeit bemessen wurde. Jetzt hat man die Quote ein wenig verändert und redet jetzt vom einem Anreiz-Zehntel, welches dem erwerbstätigen Unterhaltsverpflichteten verbleibt.

Das Anreiz-Zehntel

Im Jahr 2020 und verstärkt in 2021 verbreitete sich eine Meinung, nach der verschiedene Oberlandesgerichte nunmehr von einem Anreiz-Zehntel (und nicht von einem Siebtel) ausgehen.

Alle diese Fragen sind ganz hervorragend erörtert in den Leitlinien zur Düsseldorfer Tabelle, die Sie leicht im Internet finden.
Dort heißt es jetzt zur Quotenregelung:

"15.2
Der Bedarf eines jeden Ehegatten ist grundsätzlich mit der Hälfte des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens beider Ehegatten anzusetzen (Halbteilungsgrundsatz).
Dem erwerbstätigen Ehegatten steht vorab ein Bonus von 1/10 seiner Erwerbseinkünfte zu. Der Erwerbstätigenbonus ist von dem gemäß Nr. 10 bereinigten Erwerbseinkommen, das zusätzlich – bei Mischeinkünften anteilig - um den Kindesunterhalt in Höhe des Zahlbetrages zu mindern ist, zu bilden.
Der Bedarf des berechtigten Ehegatten beträgt danach 45% der Erwerbseinkünfte des anderen Ehegatten zuzüglich 55% der eigenen Erwerbseinkünfte sowie 50% der sonstigen Einkünfte beider Eheleute.
Der Bedarf des Verpflichteten beträgt 55% der eigenen Erwerbseinkünfte zuzüglich 45% der Erwerbseinkünfte des anderen Ehegatten sowie 50% des sonstigen Einkommens beider Eheleute (Quotenbedarf)."

In der Mehrheit der Fälle wendet man diese so genannte Quotenmethode an.

Rechenbeispiel nach der veralteten 3/7-4/7 Regel (heute: 45% zu 55%)

Bei höherem Einkommen (früher über EUR 5.100,00 monatlich - BGH, Urteil vom 11.08.10, XII ZR 102/09; nach neuerer Entscheidung - BGH NJW 2018, 468 ff. - erst ab ca. EUR 11.000,00) befasst man sich näher mit den Umständen des Einzelfalles und versucht eine konkrete Bedarfsbemessung.
Sind Sie mit dieser Frage befasst, so empfiehlt sich die Auswertung des Aufsatzes von Werner Gutdeutsch, "Berechnung des Ehegattenunterhalts bei höheren Einkommen", in: NJW 2012, 561 ff.
Vergleichen Sie dazu nun aber insbesondere den interessanten Beschluss des BGH vom 15.11.17 - XII ZB 503/16 - in NJW 2018, 468 ff. mit Anmerkung Born und die ebenfalls von Dr. Winfried Born stammenden Ausführungen in NJW 2019, 3555 ff., die sich auf den unbedingt lesenswerten Beschluss des BGH vom 25.09.19 - XII ZR 25/19 -, NJW 2019, 3570 ff., beziehen.

Unterhalt nach der Scheidung:

Nach der Scheidung gewährt man Unterhalt nur noch in bestimmten Lebenssituationen (z. B. wegen Betreuung eines Kleinkinds), verlangt stärkere Bemühungen um die Erzielung eigenen Einkommens und fragt, ob "ehebedingte Nachteile" entstanden sind.
Der Bedarf des Unterhaltsberechtigten wird, so weit es um nachehelichen Unterhalt geht, unter Umständen erst nach komplizierten Abwägungen festgelegt. Man kann den Überlegungen aber auch hier erst einmal die 45%/55%-Methode (mit dem Anreiz-Zehntel) als grobe Orientierung zugrunde legen - sofern ein Unterhaltstatbestand erfüllt ist, dem Grunde nach also ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt besteht.

Kann der Bedarf aus eigenen Mitteln gedeckt werden?
Frage nach der Bedürftigkeit.

Oben schon erwähnt beim Kindesunterhalt und der Berücksichtigung des Kindergeldes:
Ist ein Bedarf anerkannt, so fragen die Juristen nach der Bedürftigkeit.
So weit ich meinen Bedarf aus eigenen Mitteln bestreiten kann, bin ich nicht bedürftig. Hier ist also eigenes Einkommen zu berücksichtigen - und unter Umständen auch verwertbares Vermögen.
Ein Unterhaltspruch besteht nur, so weit Bedürftigkeit gegeben ist.
Höchstens in dieser Höhe - des nicht durch eigene Mittel gedeckten Bedarfs - kann ein Unterhaltsanspruch gegeben sein.

Aber es leuchtet wohl ein, dass auch die finanzielle Lage des Unterhaltsverpflichteten zu berücksichtigen ist.
Unterhalt kann nur gezahlt werden, wenn der Verpflichtete leistungsfähig ist.
Die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten ist also auch zu prüfen, bevor die Höhe des Unterhaltsanspruchs bemessen werden kann. In aller Regel muss er darüber Auskunft geben.
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Schuldner unbedingt mahnen! Auskunftsansprüche Höhe des Unterhalts / Teil 2 Berechnungsbeispiel zu wenig Geld für 3 Kinder Das bereinigte Nettoeinkommen - Wohnvorteil = Einkommen Wahl der Lohnsteuerklasse Mindestselbstbehalt Rangfolge der Berechtigten Verbraucherinsolvenz Erwerbsobliegenheit BGH: Erwerbsobliegenheit Verwertung von Vermögen
Verwirkung usw. § 1579 BGB kurze Ehedauer - § 1579 1 neuer Partner untergeschobenes Kind
































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