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Diebstahl als außerdienstliches Dienstvergehen eines Ruhestandsbeamten

VG Meiningen, Beschluss vom 15.01.03

Ein außerdienstlicher Diebstahl eines pensionierten Polizeivollzugsbeamten rechtfertigt auch als (erste) Wiederholungstat nicht die Aberkennung des Ruhegehalts.

Ein Hauptmann der Volkspolizei wurde nach der Wende weiter beschäftigt, 1992 zum Polizeioberkommissar und 1995 zum Beamten auf Lebenszeit ernannt und zum 01.09.02 wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt.
Der Beamte ist disziplinarrechtlich vorbelastet: Mit Verfügung vom 24.09.98 ist er wegen eines außerdienstlichen Diebstahls mit einer Geldbuße in Höhe von 500,00 DM belegt worden.

Der Beamte beging am 29.09.98 (also fünf Tage nach der eben genannten Disziplinarverfügung) außerhalb des Dienstes einen Diebstahl und wurde deshalb vom Amtsgericht rechtskräftig wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen verurteilt.
Die Einleitungsbehörde reichte beim VG - Kammer für Disziplinarsachen - eine Anschuldigungsschrift ein.

Das Verwaltungsgericht stellt das Disziplinarverfahren ein.

Aus den Gründen:


In einem Warenhaus nahm der Beamte Sammlerbriefmarken im Verkaufswert von 547,85 DM an sich, steckte sie in einen Beutel und passierte den Kassenbereich, ohne zu bezahlen.
Der Beamte hat damit ein schwerwiegendes Dienstvergehen begangen. Er hat vorsätzlich gegen seine Wohlverhaltenspflicht außerhalb des Dienstes verstoßen.

Aber das Disziplinarverfahren ist einzustellen, weil nach § 14 BDO von einer Disziplinarmaßnahme abzusehen ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG haben gegen Vermögen und Eigentum Dritter gerichtete strafbare Handlungen, insbesondere der außerdienstliche Diebstahl des Beamten, disziplinarrechtlich ein nicht unerhebliches, die strafrechtliche Bedeutung des Verhaltens häufig übersteigendes Gewicht (BVerwG, Urteil vom 11.02.98 - 1 D 21/97). Dies gilt besonders dann, wenn ein Diebstahl von einem Polizeibeamten verübt wird. Denn zum Kernbereich der dienstlichen Pflichten der Polizeibeamten gehört es u.a., für den Schutz des Eigentums Sorge zu tragen. Um so schwerwiegender ist es, wenn ein Beamter des gehobenen Polizeivollzugsdienstes außerdienstlich die Rechtsordnung gravierend verletzt. Ein außerdienstlicher Diebstahl ist daher geeignet, das Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Beamten erheblich zu beeinträchtigen.
Eine Regelmaßnahme besteht bei einem außerdienstlichen Diebstahl jedoch nicht.
Das BVerwG geht bei einem Diebstahl in einem schweren Fall davon aus, dass schon bei Ersttätern in der Regel mindestens die Dienstgradherabsetzung auszusprechen ist.

Hier liegt zwar kein Diebstahl in einem schweren Fall vor, es kann aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Beamte innerhalb kurzer Zeit zum zweiten Mal versagt hat. Bei der Begehung der Tat war ein Disziplinarverfahren wegen des früheren Diebstahls einer geringwertigen Sache erst wenige Tage zuvor abgeschlossen worden. Der Beamte hat sich dies nicht zur Warnung dienen lassen.

Es kann offen bleiben, ob im Hinblick auf eine mögliche weitere dienstliche Verfehlung ... bei einem aktiven Beamten eine Versetzung in ein Amt derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt angezeigt wäre. Jedenfalls käme eine Entfernung aus dem Dienst ersichtlich nicht in Betracht.
Die Versetzung in ein Amt mit geringerem Endgrundgehalt scheidet aber als Disziplinarmaßnahme aus rechtlichen Gründen aus, weil der Beamte zwischenzeitlich in den Ruhestand versetzt worden ist und bei Ruhestandsbeamten nach § 5 II BDO als Disziplinarmaßnahmen allein die Kürzung und die Aberkennung des Ruhegehalts zulässig sind.
Vorliegend könnte im Hinblick auf § 12 II BDO demzufolge nur eine Ruhegehaltskürzung ausgesprochen werden.

Einer Ruhegehaltskürzung steht jedoch § 14 BDO entgegen. Nach dieser Vorschrift darf wegen desselben Sachverhalts neben einer gerichtlichen Strafe eine Gehaltskürzung nur angeordnet werden, wenn dies erforderlich ist, um den Beamten zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten und das Ansehen des Beamtentums zu wahren.
Im vorliegenden Fall findet § 14 BDO Anwendung. Die verwirkte Gehaltskürzung würde wegen desselben Sachverhalts ausgesprochen werden. Sie wäre aber nicht zulässig, denn es besteht bei dem Beamten kein Bedürfnis für eine zusätzliche Pflichtenmahnung.
...

Findet § 14 BDO Anwendung, darf eine Ruhegehaltskürzung deshalb nicht verhängt werden, weil sie nicht zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten. Voraussetzung hierfür wäre, dass der Ruhestandsbeamte überhaupt noch Pflichten hat, die in einem Zusammenhang mit der verletzten Pflicht stehen. Dies ist nicht mehr der Fall. Ruhestandsbeamte trifft nur noch ein beschränkter Pflichtenkreis
Dass die begangene Pflichtverletzung Auswirkungen auf diesen beschränkten Pflichtenkreis des Ruhestandsbeamten haben könnte, ist auszuschließen.



Bitte beachten Sie in diesem Fall wie auch in allen anderen Beispielsfällen: es handelt sich um die Meinung eines einzigen Gerichts zu einem bestimmten Einzelfall. Andere Gerichte können die Sache anders beurteilen.

Im übrigen gilt das von dem Gericht angewandte Gesetz nicht mehr. Die BDO (Bundesdisziplinarordnung) wurde durch das BDG (Bundesdisziplinargesetz) abgelöst.

Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat durch Berufungsurteil vom 17.06.11 einen Polizeibeamten wegen eines außerdienstlichen Ladendiebstahls vom Polizeihauptmeister (A9) zum Polizeiobermeister (A8) zurückgestuft.
Das Urteil (Az. D 6 A 606/09) befasst sich ausführlich mit der Frage, unter welchen Bedingungen sich die Disziplinargerichte von den Feststellungen des Strafgerichts lösen können (Frage der Bindungswirkung).
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