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Dienstunfähigkeit der Beamtin auf Probe: Entlassung oder Pensionierung?


Im folgenden Fall geht es um die Frage, welche Konsequenzen die Dienstunfähigkeit einer Beamtin auf Probe hat: Entlassung aus dem Beamtenverhältnis?
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs einer Beamtin auf Probe gegen eine Entlassungsverfügung wird wieder hergestellt, weil nicht geprüft wurde, ob sie in den Ruhestand zu versetzen (und nicht zu entlassen) ist.
Dass die Beamtin (hier: Antragstellerin) dienstunfähig ist, steht für das Gericht fest. Aber was folgt daraus?
Konkreter: ist die Beamtin in den Ruhestand zu versetzen, so dass sie eine Pension erhalten wird, oder kann sie entlassen werden? Das ist zumindest sorgfältig zu prüfen, und zwar im vorliegenden Fall besonders unter dem Gesichtspunkt, ob die Beamtin auf Probe infolge Krankheit, Verwundung oder sonstiger Beschädigung, die sie sich ohne grobes Verschulden in Ausübung oder aus Veranlassung des Dienstes zugezogen hat, dienstunfähig geworden ist.

Lernen kann man aus der Entscheidung eigentlich nur, dass der Dienstherr zu einer sorgfältigen Entscheidung verpflichtet ist und man sein Verhalten überprüfen lassen kann.
Die Rechtslage unter dem für Sie geltenden Beamtengesetz sollte immer noch die gleiche sein wie jene zum Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung. Die entscheidende Formel finden Sie in § 28 Beamtenstatusgesetz unten auf dieser Seite.
Oberverwaltungsgericht NRW, Beschluss vom 27.04.05, 6 B 2735/04


1.
Unzweifelhaft ist die für eine Entlassung erforderliche Dienstunfähigkeit gegeben.
Prüfungsmaßstab ist insoweit das abstrakt-funktionelle Amt des Beamten, also ein seiner Rechtsstellung entsprechender Aufgabenkreis bei seiner Behörde ohne Beschränkung auf den konkreten Dienstposten.
In Bezug auf die Antragstellerin ist demzufolge von den Anforderungen an das Amt einer Hauptschullehrerin auszugehen.

In ihrem Fall sind die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW erfüllt. Sie hat seit längerem infolge ihrer Erkrankung keinen Dienst mehr geleistet und nicht dargetan, dass Aussicht auf Wiederherstellung ihrer vollständigen Dienstfähigkeit innerhalb der nächsten sechs Monate besteht. In einem Gutachten hat die Amtsärztin dazu ausgeführt: "Die depressive Erkrankung in Kombination mit Angst konnte durch verschiedene therapeutische Maßnahmen (Therapie mit einem angstlösenden Medikament, ambulante und stationäre Psychotherapie) gebessert werden. Allerdings ist Frau Y noch nicht wieder voll dienstfähig, da sie weiterhin der medikamentösen Therapie und auch der Psychotherapie bedarf. Es muss bezweifelt werden, dass Frau Y in sechs Monaten an einer Hauptschule wieder voll dienstfähig sein könnte."

2.
Derzeit kann aber nicht abschließend beurteilt werden, ob die Antragstellerin in den Ruhestand zu versetzen ist (§ 34 Abs. 1 Nr. 3 LBG NRW).
Nach § 49 Abs. 1 LBG NRW ist der Beamte auf Probe in den Ruhestand zu versetzen, wenn er infolge Krankheit, Verwundung oder sonstiger Beschädigung, die er sich ohne grobes Verschulden in Ausübung oder aus Veranlassung des Dienstes zugezogen hat, dienstunfähig geworden ist.
Zur Zeit kann nicht beurteilt werden, ob die nach dieser Vorschrift erforderliche Kausalität zwischen der Dienstausübung und der Erkrankung gegeben ist.

Die von der Bezirksregierung auch insoweit zu Rate gezogene Amtsärztin hat dazu ausgeführt: "Zusammenfassend ergibt sich kein vollständig klares Bild der Panikerkrankung der Patientin. Aus diesem Grunde schlage ich die ausführliche psychiatrische Zusatzbegutachtung der Patientin durch Prof. Dr. O, Arzt für Psychiatrie, vor." An dieser Auffassung hat sie in dem zwischen ihr und der Bezirksregierung geführten Telefonat festgehalten. Darin hat sie nämlich erklärt, nach der Erörterung des Falles der Antragstellerin sei in der amtsärztlichen Besprechung mehrheitlich vorgeschlagen worden, eine ausführliche psychiatrische Zusatzbegutachtung durch Herrn Prof. Dr. O durchführen zu lassen. Ob die Antragstellerin belastet wäre, wenn sie nie an der Hauptschule Ahornweg gewesen wäre, könne sie - die Amtsärztin - nicht beurteilen.

Der Senat sieht keine Veranlassung, dieser Einschätzung nicht zu folgen. Insbesondere kann der Antragstellerin trotz vorhandener Ungereimtheiten in ihrem Vorbringen nicht von vornherein die Glaubwürdigkeit abgesprochen werden. Insoweit ist nämlich zu ihren Gunsten zu berücksichtigen, dass sich an der Schule der Antragstellerin zwei Vorfälle ereignet haben, in die auch die Antragstellerin verwickelt war.

Eine andere Beurteilung folgt auch nicht daraus, dass die Amtsärztin in dem genannten Telefongespräch ferner ausgeführt hat, sie bezweifle, dass die Ereignisse an dieser Schule hinreichend für eine posttraumatische Belastungsstörung seien, denn gleichwohl haben sich die Teilnehmer der amtsärztlichen Besprechung für eine psychiatrische Zusatzbegutachtung der Antragstellerin ausgesprochen.

Der Antragsgegner kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Antragstellerin im Rahmen des § 49 Abs. 1 LBG NRW beweispflichtig sei und die insoweit bestehenden Unsicherheiten zu ihren Lasten gingen. Die insoweit bestehende materielle Beweislast entbindet den Dienstherrn nicht von der ihm auch unter Fürsorgegesichtspunkten obliegenden Pflicht, den für eine Entlassung eines Beamten bedeutsamen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln (§ 24 Abs. 1 und 2 VwVfG NRW). Erst wenn feststeht, dass sich die anspruchsbegründenden Voraussetzungen nicht klären lassen, kann zu Lasten des Beamten entschieden werden. (Vgl. BVerwG, Urteil vom 22.10.1981 - 2 C 17.81 -, ZBR 1982, 307.)
Davon kann nach dem Vorstehenden aber bisher nicht ausgegangen werden.

Soweit die Bezirksregierung ihre Entlassungsverfügung ferner "vorsorglich hilfsweise" auf § 34 Abs. 1 Nr. 2 LBG NRW wegen mangelnder Bewährung auf Grund fehlender gesundheitlicher Eignung gestützt hat, ergibt sich hieraus keine andere Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Verfügung. Liegt infolge des gesundheitlichen Mangels auch eine Dienstunfähigkeit vor, kommt eine Entlassung im Hinblick auf die bereits genannte Einschränkung des § 34 Abs. 1 Nr. 3 LBG NRW nur in Betracht, wenn die Dienstunfähigkeit nicht auf einer Dienstbeschädigung im Sinne von § 49 Abs. 1 LBG NRW beruht.

Die nach allem unabhängig von den Erfolgsaussichten in einem Hauptsacheverfahren vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragsgegners aus. Maßgeblich ist insoweit, dass die Bezirksregierung die hier in Rede stehende Entlassungsverfügung ohne hinreichende Aufklärung des Sachverhalts erlassen und dabei noch klärungsbedürftige Fragen zu Lasten der Antragstellerin gewertet hat. Bei einer derartigen Verfahrensweise seitens des Dienstherrn, die weder mit den dem Dienstherrn obliegenden Fürsorgepflichten noch mit § 24 Abs. 1 und 2 VwVfG NRW vereinbar ist, muss das aus den von der Bezirksregierung in ihrem Bescheid genannten Gründen durchaus bestehende öffentliche Interesse an einem Sofortvollzug dieser Verfügung hinter das private Interesse der Antragstellerin, von deren Vollzug einstweilen verschont zu bleiben, zurücktreten.

Rechtsgrundlagen:

§ 23 Beamtenstatusgesetz, Entlassung durch Verwaltungsakt

(1) Beamtinnen und Beamte sind zu entlassen, wenn sie
1. den Diensteid oder ein an dessen Stelle vorgeschriebenes Gelöbnis verweigern,
2. nicht in den Ruhestand oder einstweiligen Ruhestand versetzt werden können, weil eine versorgungsrechtliche Wartezeit nicht erfüllt ist,
3. dauernd dienstunfähig sind und das Beamtenverhältnis nicht durch Versetzung in den Ruhestand endet,
4. die Entlassung in schriftlicher Form verlangen oder
5. nach Erreichen der Altersgrenze berufen worden sind.
Im Fall des Satzes 1 Nr. 3 ist § 26 Abs. 2 entsprechend anzuwenden.

(2) Beamtinnen und Beamte können entlassen werden, wenn sie in Fällen des § 7 Abs.2 die Eigenschaft als Deutsche oder Deutscher im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes verlieren.

(3) Beamtinnen auf Probe und Beamte auf Probe können entlassen werden,
1. wenn sie eine Handlung begehen, die im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit mindestens eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge hätte,
2. wenn sie sich in der Probezeit nicht bewährt haben oder
3. wenn ihr Aufgabengebiet bei einer Behörde von der Auflösung dieser Behörde oder einer auf landesrechtlicher Vorschrift beruhenden wesentlichen Änderung des Aufbaus oder Verschmelzung dieser Behörde mit einer anderen oder von der Umbildung einer Körperschaft berührt wird und eine andere Verwendung nicht möglich ist.
Im Fall des Satzes 1 Nr. 2 ist § 26 Abs. 2 bei allein mangelnder gesundheitlicher Eignung entsprechend anzuwenden.

(4) Beamtinnen auf Widerruf und Beamte auf Widerruf können jederzeit entlassen werden.
Die Gelegenheit zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes und zur Ablegung der Prüfung soll gegeben werden.

§ 26 Abs. 2 Beamtenstatusgesetz:

(2) Eine anderweitige Verwendung ist möglich, wenn der Beamtin oder dem Beamten ein anderes Amt derselben oder einer anderen Laufbahn übertragen werden kann.
In den Fällen des Satzes 1 ist die Übertragung eines anderen Amtes ohne Zustimmung zulässig, wenn das neue Amt zum Bereich desselben Dienstherrn gehört, es mit mindestens demselben Grundgehalt verbunden ist wie das bisherige Amt und wenn zu erwarten ist, dass die gesundheitlichen Anforderungen des neuen Amtes erfüllt werden.
Beamtinnen und Beamte, die nicht die Befähigung für die andere Laufbahn besitzen, haben an Qualifizierungsmaßnahmen für den Erwerb der neuen Befähigung teilzunehmen.

§ 28 Beamtenstatusgesetz  Ruhestand bei Beamtenverhältnis auf Probe

(1) Beamtinnen auf Probe und Beamte auf Probe sind in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie infolge Krankheit, Verwundung oder sonstiger Beschädigung, die sie sich ohne grobes Verschulden bei Ausübung oder aus Veranlassung des Dienstes zugezogen haben, dienstunfähig geworden sind.

(2) Beamtinnen auf Probe und Beamte auf Probe können in den Ruhestand versetzt werden, wenn sie aus anderen Gründen dienstunfähig geworden sind.

(3) § 26 Abs.1 Satz 3, Abs.2 und 3 sowie § 27 sind entsprechend anzuwenden.


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Arten der Beendigung kraft Gesetzes Entlassungsverfügung
Beamte auf Widerruf aggressiver Kommissaranwärter Polizeianwärter, sexistisch Trunkenheitsfahrt PK-Anwärter Trunkenheitsfahrt PM-Anwärter Täuschungsversuch Prüfung 3000m-Lauf Sportprüfung Polizei Entlassung Schwerbehinderter
Rückforderung von Bezügen
Vor Ernennung auf Probe OVG SH 10.01.17
Beamte auf Probe Bedeutung der Probezeit innerdienstliche Straftat außerdienstliche Straftat Fälschung von Impfpässen wegen Dienstvergehens Tätowierung / Landser Betrug / Ladendiebstahl Alkohol und Schlägerei Lehrer / Unterrichtsbesuch Sport trotz Krankschreibung
Gesundheitliche Eignung gesundheitliche Eignung BVerwG 30.10.13 früher: Übergewicht
Weitere Fragen Beteiligung Personalrat? Sofortige Vollziehung? strafgerichtliches Urteil disziplinargerichtliches Urteil Nachversicherung / Altersgeld





Es ist sehr bedrückend, wenn junge Beamte auf Probe von ihrem Dienstherrn erfahren, dass er sie nicht zu Beamten auf Lebenszeit ernennen wolle.

Denn dann kommt eine Entlassung in Betracht.

Man darf aber die Alternativen nicht übersehen, zum Beispiel

- eine anderweitige Verwendung

oder

- statt der Entlassung eine Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand.

Um die Frage der Versetzung in den Ruhestand (mit Gewährung eines Ruhegehalts) geht es in dieser Entscheidung.

Beachten Sie dazu bitte ganz unten auf dieser Seite das Beamtenstatusgesetz, für diesen Fall besonders § 28.

► § 28 Beamtenstatusgesetz

Kommt es wirklich zu einer Entlassung, so wird oft eine Weiterbeschäftigung im Angestelltenverhältnis angeboten, zum Beispiel bei Lehrern.

Kommt es dazu nicht, dann ist an die Möglichkeit zu denken, einen Unterhaltsbeitrag zu beantragen. Eine solche Möglichkeit eröffnen die Beamtenversorgungsgesetze unter gewissen Voraussetzungen auch für Beamte auf Widerruf.