Startseite ⁄ Beamtenrecht ⁄ Pensionierung / Altersgrenze ⁄ Dienstzeitverlängerung ⁄ Hmb OVG, Beschluss vom 26.08.2011, 1 Bs 104/11
 Beamtenrecht: Hinausschieben der Altersgrenze auf Antrag des Beamten?

Der Antrag des Beamten scheitert, weil die Entscheidung zu spät kommt: ist der Eintritt in den Ruhestand erst einmal erfolgt, lässt sich das nicht mehr ändern. Dies gilt nach wie vor, auch wenn sich die gesetzlichen Regelungen zu den Voraussetzungen der Dienstzeitverlängerung verändert haben.
Deshalb ist es wichtig, rechtzeitig vor der eigentlichen Altersgrenze tätig zu werden.


Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 26.08.11, 1 Bs 104/11

Nach Eintritt in den Ruhestand wegen Erreichens der Altersgrenze kann der Eintritt regelmäßig nicht mehr hinausgeschoben werden.

I.
Der Antragsteller war bis zum Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand am 30.06.11 als Regierungsoberinspektor bei der Antragsgegnerin tätig. Seinen am 14.09.10 gestellten Antrag auf Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 26.04.11 ab. Über den erhobenen Widerspruch ist noch nicht entschieden. Den am 03.06.11 gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zu vorläufigem Hinausschieben seines Ruhestandes zu verpflichten, hat das Verwaltungsgericht, nachdem zuletzt zwischen den Beteiligten am 29.06.11 Schriftsätze gewechselt worden waren, mit Beschluss vom 30.06.11 abgelehnt.

II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Es kann dahinstehen, ob der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg nicht nur für die positive Entscheidung über den Antrag auf Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand gemäß § 35 Abs. 4 Nr. 2 Hamburgisches Beamtengesetz (HmbBG) zuständig ist, sondern auch für die Ablehnung des Antrags.
...

2. Denn für eine einstweilige Anordnung, mit der die Antragsgegnerin vorläufig zum Hinausschieben des Ruhestandes verpflichtet würde, fehlt es jedenfalls zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung an einem materiellen Anspruch des Antragstellers.

a) Nachdem er mit Ablauf des 30.06.11 wegen Erreichens der Altersgrenze in den Ruhestand getreten ist, kommt ein Hinausschieben nicht mehr in Betracht (OVG Hamburg, Beschluss vom 13.09.1993, OVG Bs I 91/93, Beschluss vom 04.11.02, 8 Bs 269/02). Dies ergibt sich schon aus der Begrifflichkeit des Hinausschiebens (OVG Lüneburg, Beschluss vom 13.03.08, 5 ME 8/08), die ein noch bestehendes aktives Beamtenverhältnis voraussetzt. Darüber hinaus würde es zu einer nicht zulässigen rückwirkenden Wiederbegründung des aktiven Beamtenverhältnisses kommen (OVG Magdeburg, Beschluss vom 14.03.08, 1 M 17/08). Schließlich beendet der Ruhestand wegen Erreichens der Altersgrenze (§ 35 HmbBG) das Beamtenverhältnis (§ 21 Nr. 4 BeamtStG) und tritt kraft Gesetzes ein. Eines Verwaltungsaktes der Versetzung in den Ruhestand, der nachträglich rückwirkend aufgehoben werden könnte, bedarf es nicht. Für die damit erforderliche erneute Begründung des Beamtenverhältnis ist eine Ernennung (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG) nötig. Für sie ist kein Raum. Denn die Antragsgegnerin hätte den Antragsteller, wenn sie ihn nach Erreichen der Altersgrenze berufen würde, sofort wieder zu entlassen (§ 23 Abs. 1 Nr. 5 BeamtStG). Die Reaktivierung von Beamten, die wegen Erreichung der Altersgrenze in den Ruhestand getreten sind, ist, anders als bei Beamten, die einstweilig in Ruhestand oder wegen Dienstunfähigkeit in Ruhestand versetzt sind (§ 29, 30 Abs. 3 BeamtStG), nicht vorgesehen.

b) Entgegen der Ansicht der Beschwerde wird damit nicht das Recht des Antragsteller auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) verletzt. Der Antragsteller hatte vor seinem Eintritt in den Ruhestand am 30.06.11 hinreichend Gelegenheit, um gerichtlichen Rechtsschutz nachzusuchen. Dies hat er auch getan. Da er nach der Ablehnung seines Antrags mit Bescheid vom 26.04.11 erst am 03.06.11 gerichtlichen Rechtsschutz beantragt hat, unterfällt es seinem Verantwortungsbereich, wenn nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 30.06.11 eine Beschwerdeentscheidung zu seinen Gunsten wegen seines Eintritts in den Ruhestand nicht mehr möglich war. Es ist nicht erkennbar, dass die Rechtsschutzmöglichkeiten des Antragstellers durch das Verhalten der Antragsgegnerin oder eine verspätete erstinstanzliche Entscheidung verkürzt waren.


III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Streitwert bemisst sich nach §§ 47 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 5 Satz 2 GKG. Da die beantragte einstweilige Anordnung tatsächlich zu einer Vorwegnahme der Hauptsache des für ein Jahr begehrten Hinausschiebens des Eintritts des Ruhestandes geführt hätte, kommt eine Reduzierung des Streitwertes nicht in Betracht.

Die Entscheidung ist für Juristen bemerkenswert, weil sie einiges zu den dogmatischen Hintergründen sagt.

In der Sache können wir als Rechtsanwälte, welche die Rechte von Betroffenen durchsetzen sollen, in diesem Einzelfall die Entscheidung aber insoweit nicht unkritisch sehen, als sie ausblendet, dass bisweilen auch die Gerichtsbarkeit selbst die Verfahren entschleunigt. Die Entscheidung der ersten Instanz war zwar relativ schnell ergangen, aber eben doch erst an dem Tag, an dessen Ende der Beamte kraft Gesetzes in den Altersruhestand trat. Da war es ihm faktisch unmöglich, noch eine Beschwerdeentscheidung herbeizuführen.

Letztlich bleiben wir aber ungeachtet dieser Kritik dabei, dass sich entsprechende Anträge nicht immer gerichtlich werden durchsetzen lassen.
In Hamburg wird erst zukünftig eine andere gesetzliche Regelung greifen, die für die Beamten günstiger sein kann. Und es zeigt sich, dass die Verwaltungsgerichte diese Fragen schon jetzt zunehmend differenzierter betrachten. Ein Erfolg ist nicht immer ausgeschlossen, wie sich auch daran zeigt, dass in Hamburg Mitte 2012 zwei für die Beamten günstige Beschwerdeentscheidungen des OVG ergingen. Allerdings: danach wurde das Gesetz zu Ungunsten der Beamten geändert.

Dass man die zeitlichen Dimensionen im Blick haben muss, wenn ein Antrag auf Hinausschieben des Ruhestands gestellt wurde, ergibt sich auch aus der nachstehenden Entscheidung. Sie vertritt die gleiche Meinung wie die oben zitierte Entscheidung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts, lässt aber ein wenig deutlicher erkennen, welche Gedanken man sich im Hinblick auf das zeitliche Vorgehen machen muss.

VGH Baden-Württemberg Urteil vom 11.6.2013, 4 S 83/13

1. Hinsichtlich des - weiterhin - auf die Neuerteilung einer dienstlichen Beurteilung gerichteten Hauptantrags fehlt es am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, nachdem der Kläger mit Ablauf des 30.04.2013 in den Ruhestand getreten ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 11.02.1982 - 2 C 33.79 - und vom 19.12.02 - 2 C 31.01 -), die auch der Senat zugrunde legt (vgl. nur Urteil vom 25.09.12 - 4 S 660/11 -), erledigt sich das Begehren auf Änderung bzw. Neuerteilung einer dienstlichen Beurteilung mit dem Eintritt des Beamten in den Ruhestand (ebenso etwa OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.04.04 - 1 A 3629/02 -; Bayerischer VGH, Beschluss vom 23.12.10 - 3 ZB 08.3368 -). Die dienstliche Beurteilung verliert zu diesem Zeitpunkt ihre Zweckbestimmung als Auswahlgrundlage für künftige Personalentscheidungen. Nach der zitierten Rechtsprechung ist in diesem Zusammenhang auch irrelevant, ob der Kläger ggf. Schadensersatz geltend machen will.

Dass der Kläger die Hinausschiebung seines Eintritts in den Ruhestand nach § 39 LBG i.V.m. Art. 62 § 3 Abs. 1 Satz 1 DRG beantragt hat und dass darüber noch nicht bestandskräftig entschieden ist, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Selbst wenn der seinen Antrag ablehnende Bescheid des Innenministeriums vom 09.04.13 rechtswidrig (gewesen) sein sollte, ist es ausgeschlossen, dass der Kläger auf von ihm insoweit angekündigte bzw. eingelegte Rechtsbehelfe hin wieder in einem aktiven Beamtenverhältnis Dienst verrichtet, in dem die streitige Beurteilung deshalb (erneut) zur Grundlage einer Auswahlentscheidung gemacht werden könnte. Denn nach dem Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand wegen Erreichens der Altersgrenze mit Ablauf des 30.04.13, den der Kläger nicht durch Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO - mit dem Ziel der vorläufigen Hinausschiebung - verhindert hat, kommt ein Hinausschieben schon aus Rechtsgründen nicht mehr in Betracht; bereits begrifflich ist ein Hinausschieben nur möglich, solange der Ruhestand noch nicht begonnen hat (BVerwG, Beschluss vom 21.12.11 - 2 B 94.11 -; Senatsbeschluss vom 28.03.13 - 4 S 648/13 -; OVG Hamburg, Beschluss vom 05.06.12 - 1 Bs 98/12 -, IÖD 2012, 244; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.03.08 - 1 M 17/08 -). Ein nachträgliches Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand würde einer rückwirkenden (statusändernden) Wiederbegründung des aktiven Beamtenverhältnisses gleichkommen, die aber im Hinblick auf die Regelung in § 8 Abs. 4 BeamtStG unzulässig und insoweit unwirksam wäre; einer erneuten Berufung in das Beamtenverhältnis mit Wirkung ex nunc stünde § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BeamtStG entgegen (vgl. Senatsurteil vom 08.11.1994 - 4 S 2641/94 -).

Selbst wenn man für Fälle einer evidenten Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG etwa durch Rechtsschutzversagung oder -erschwerung Ausnahmen hiervon zulassen wollte (dies andeutend: Poguntke, DÖV 2011, 561, 567), würde es bei Würdigung des hier in Rede stehenden Verfahrensablaufs an einer hierfür vorauszusetzenden unangemessenen und dem Beklagten zuzurechnenden Beeinträchtigung des Klägers im Hinblick auf die Erlangung effektiven Eilrechtsschutzes fehlen. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Klägers, die Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Versagung der Hinausschiebung des Eintritts in den Ruhestand sei ihm „aufgrund der zeitlichen Gegebenheiten überhaupt nicht möglich“ gewesen. Er hatte spätestens seit der Zustellung des Ablehnungsbescheids am 27.04.13 Kenntnis von den der Hinausschiebung des Eintritts in den Ruhestand - aus der Sicht des Beklagten - entgegenstehenden dienstlichen Interessen; dessen ablehnende Haltung dürfte dem Kläger - ohne dass es hierauf ankommt - auch zuvor schon bekannt gewesen sein, nachdem im Vorfeld der Entscheidung Gespräche mit ihm geführt worden sind und er am 23.04.13 vorab per Telefax über die Ablehnung seines Antrags informiert worden sein dürfte, wie der Beklagte im Rahmen des nachgelassenen Schriftsatzrechts unter Vorlage einer Mehrfertigung samt Sendebericht vorträgt. Dem Kläger verblieb (auch) nach Kenntniserlangung am 27.04.13 noch genügend Zeit, um beim zuständigen Verwaltungsgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung zumindest zu beantragen. Auf diese Weise hätte der Kläger seine Rechtsposition ohne Weiteres noch rechtzeitig sichern können. Die Verwaltungsgerichte gewähren im Verfahren nach § 123 VwGO - nötigenfalls durch Erlass eines sog. „Hängebeschlusses“ (vgl. dazu nur Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 123, RdNr. 120), bei besonderer Eilbedürftigkeit ggf. auch durch den Vorsitzenden (§ 123 Abs. 2 Satz 3, § 80 Abs. 8 VwGO) - auch sehr kurzfristig den erforderlichen Rechtsschutz.
 
Es kann auch keine Rede davon sein, dass die Kürze der für die Inanspruchnahme von Eilrechtsschutz zur Verfügung stehenden Zeit allein in den Verantwortungsbereich des Beklagten fiele oder dass diesem gar eine auf die Vereitelung von Rechtsschutz gerichtete verzögerte Bearbeitung vorzuhalten wäre. Vielmehr hat der Kläger selbst durch seine - gemessen an der Frist des § 39 Satz 2 LBG (zu) späte - Antragstellung (erst) am 05.03.13 eine nicht unwesentliche Ursache hierfür gesetzt; auch dass er - wozu er selbstredend berechtigt war - die Beteiligung des Hauptpersonalrats beantragt hat (§ 75 Abs. 1 Nr. 15, Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 LPVG), hat zu einer längeren Dauer der Entscheidungsfindung im Verwaltungsverfahrens beigetragen, ohne dass dies dem Beklagten angelastet werden kann.
 
Im Übrigen hätte der Kläger auch schon vor Erlass des Ablehnungsbescheids (vorsorglich) um Eilrechtsschutz nachsuchen können, nachdem er mit seinem Antrag vom 05.03.13 ein Rechtsverhältnis zum Beklagten hergestellt hatte und ihm auch nach seinem eigenen Vortrag nicht etwa signalisiert worden ist, dass diesem ohne Weiteres stattgegeben würde. Dass er davon abgesehen und sich für ein weiteres Zuwarten bis unmittelbar hin zur näher rückenden gesetzlichen Altersgrenze - und darüber hinaus - entschieden hat, ist insoweit seiner eigenen „Risikosphäre“ zuzurechnen.


Bitte beachten Sie auf jeden Fall, dass nach einigen Landesgesetzen der Antrag schon Monate vor dem Eintritt in den Ruhestand gestellt werden muss, nach einigen gesetzlichen Regelungen sogar schon Jahre vorher!
Beamtenrecht/ Übersicht Beamtengesetze
Erreichen des Pensionsalters Pensionierung / Altersgrenze Bundesbeamte: § 51 BBG Beamte FHH: § 35 HmbBG Richter FHH: § 7 HmbRiG
Vorzeitig gehen auf Antrag Antragsaltersgrenzen
Freiwillig länger arbeiten Dienstzeitverlängerung OVG Lüneburg 23.02.21 OVG Lüneburg 31.07.19 OVG NRW 09.10.19 / 1 B 1058/19 VG Schleswig 11.02.20 Hochschulbereich

Eigentlich geht es um den Streit um eine dienstliche Beurteilung.
Während des Streits ist der Beamte in den Ruhestand getreten.

Er wollte zwar die Pensionierung hinausschieben lassen, hat seinen Antrag aber nicht konsequent genug verfolgt.

Der Beamte hätte auf jeden Fall vor der gesetzlichen Altersgrenze ein Eilverfahren anstrengen müssen.

Das Gericht meint, der Beamte hätte innerhalb von drei Tagen eine einstweilige Anordnung des Verwaltungsgerichts erlangen können.

Bekanntlich würden Gerichte sehr schnell arbeiten ...




Wichtiger als ein Streit um die Schnelligkeit von Gerichten: der Beamte hätte schon vor Erlass des ablehnenden Bescheids einen Antrag bei Gericht stellen können.